Torfhäuser

Die Torfhäuser (auch Grassodenhäuser genannt, isländisch torfbæir) waren in Island über Jahrhunderte die vorherrschende Bauform. Die Häuser waren bis ins 19. Jahrhundert bewohnt. Inzwischen dienen viele als Museum.

Die Bautradition in Island geht auf die Besiedlung im 9. Jahrhundert zurück. Sie wurde seitdem immer wieder an das Klima, die zur Verfügung stehenden Materialien und die sich verändernden Bedürfnisse angepasst.

Als die Wikinger Island besiedelten, brachten sie ihre damals üblichen Langhäuser mit. Für diese wurden jedoch große Mengen an  Holz benötigt. Island war zur Zeit der Besiedelung zwar zu 30% bewaldet, jedoch hauptsächlich mit Birken. Deren Holz war jedoch nicht so geeignet wie das von den Wikingern üblicherweise verwendete Eichenholz. So mussten andere Lösungen gefunden werden.

Das so entstandene Torfhaus war aber nicht nur eine Folge des Holzmangels. Es bot auch im Vergleich zu Holz oder Stein eine bessere Isolierung, was bei den klimatischen Verhältnissen in Island ein wichtiger Aspekt war.

Bauweise

Torfhäuser

Das üblichen isländischen Torfhäuser hatte ein Fundament aus Steinen. Darauf wurde ein Holzrahmen errichtet, der die Last des Rasendaches halten musste. Die Torf- oder Grassoden wurde dann als Außenwände um den Rahmen gelegt. Der Dachrahmen wurde mit Steinplatten und mit Soden belegt. Das nebenstehende Foto aus der Ausgrabungsstätte Stöng zeigt die Steinschicht als Fundament und die darauf gestapelten Grassoden. Das im Jahr 1104 bei einem Ausbruch des Vulkans Hekla unter Asche begrabene Haus zeigt somit die im elften Jahrhundert übliche Bauweise.

Wegen des immer mehr um sich greifenden Holzmangels war das einzige nach außen sichtbar verwendete Holz oftmals nur die Eingangstür, später wurde dann der gesamte vordere Giebel aus Holz errichtet. 

Manchmal wurden die Häuser auch zum Teil in den Boden gegraben, mit dem gewonnenen Material konnten dann die Wände errichtet werden. Auch kleine Höhlen oder Felsüberhänge wurden für den Bau der Häuser genutzt.

Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Seitenwände der Torfhäuser aus Steinen errichtet. Die Dachkonstruktion aus Holzrahmen und aufgeschichteten Grassoden blieb jedoch die gleiche.

Soden

Zur Gewinnung von Soden erfolgte hauptsächlich im Frühjahr, denn dann sprießen die Gräser der Soden. Wenn man den Soden entnimmt, muss er getrocknet werden. Dazu wird er  einfach neben der Entnahmestelle ausgebreitet. Ist er getrocknet, wird er gestapelt und ist bereit, verbaut zu werden.

Zur Gewinnung der Soden werden spezielle Spaten verwendet.

Es gibt verschiedene Formen der Soden:

  • Strengur (Streifensoden)
    Die Streifen haben eine Länge von 90 bis 120 cm, eine Breite von etwa 30 cm und sind etwa 5 cm dick. Verwendet werden sie für normale Wände.
  • Kviahnaus (Pferchsoden)
    Pferchsoden sind rechteckig, etwa 60 cm lang und 30 cm breit sowie 20 cm dick. Sie wurden für minderwertige Wände, z.B. für Pferchwände, verwendet.
  • Klömbruhnaus (Klampsoden oder Nackenklumpen)
    Klampsoden haben eine Keilform. Das dickere Ende heißt Nacken, das dünnere Ende wurde Fischschwanz genannt. Der Zuschnitt dieser Soden erlaubt den Bau sehr stabiler und haltbarer Wände.
  • Snidda (Brocken)
    Diese sind etwa 60 cm lang, 30 cm breit und etwa 20 cm dick. Sie sehen aus wie eine Raute aus und gelten als minderwertiges Baumaterial.

Wände

Die zum Bauen verwendeten Steine bestanden aus Basaltarten (Blaubasalt, Graubasalt) oder anderem Lavagestein. Meist suchte man die Steine im Herbst zusammen und fuhr sie im Winter auf Schlitten zur Baustelle.

Beim Bau eines Hauses wurde ein Fundamentstreifen frosttief ausgehoben und ein Steinfundament gemauert, auf dem dann die Streifensoden geschichtet wurden. Man baute eine innere und eine äußere Schicht und verfüllte den Hohlraum mit Erde oder Sodenabfällen. An den Ecken wurden Pferchsoden verlegt. Wenn die Soden verlegt waren, wurden sie an der Sichtseite der Wand gerade geschnitten.

Wände aus Streifensoden, Pferchsoden, Brockensoden und Klampsoden haben ein unterschiedliches Aussehen. Brocken bilden Rautenmuster, Pferchsoden ein Rechteckmuster,  Streifensoden ein Bandmuster, und Klampsoden ein Fischgrätmuster.

Dächer

Bei einem Reisigdach besteht die erste Schicht über den Balken aus Reisigbündeln. Daraus wurden Soden gelegt, darüber wieder Erde und als Abschluss wieder eine Sodenschicht. Diese Dachabdeckung kam nur in eher trockeneren zum Einsatz.

Für das Steinplattendach werden Balken zum Dachstuhl zusammengefügt. Daraus wurden Latten befestigt, diese mit Steinplatten belegt und mit Grassoden abgedichtet. Darauf kam Erde und als Abschlusslage eine Grassodenschicht.

Entwicklung der Torfhäuser

Langhaus

Das Langhaus in Island war ein einzelnes großes Haus, das alle notwendigen Funktionen beherbergte. Das längs liegende Dach wurde von freistehenden Innenpfosten getragen und mit Rasen belegt. Der Eingang befand sich an der Längsseite des Hauses. Die Außenwände bestanden vollständig aus Torf oder  einer Kombination aus Torf und Stein.

Im Inneren wurden die Häuser oft durch Holzwände in mehrere Teile aufgeteilt. Diese Form des Langhauses veränderte sich im Laufe der Zeit. An der Rückseite wurden weitere kleinere Gebäude angebaut. Damit verkleinerte sich das Langhaus und es entstand ein neuer Bautyp, das Durchgangs­bauernhaus.

Die ursprüngliche Variante des Langhauses mit den hinteren Anbauten kann man sehr gut am Beispiel von Þjóðveldisbær sehen. Þjóðveldisbær ist der Nachbau des bereits erwähnten Hofes Stöng. Die Rekonstruktion besteht originalgetreu aus drei Gebäuden – darunter ein Langhaus – und wurde 1974, anlässlich des 1100-jährigen Jubiläums der Besiedlung Islands, begonnen. Das Anwesen liegt in der Nähe der Straße 32 (Þjórsárdalsvegur).

Durchgangsbauernhaus

Das Durchgangsbauernhaus (Gangabær) ist eine Gruppe kleinerer Häuser, die durch einen zentralen Durchgang  miteinander verbunden sind. Man glaubt, dass das der vorherrschende Haustyp vom Mittelalter (etwa 14. Jahrhundert) bis zum 19. Jahrhundert gewesen ist. Eines der Merkmale dieses Haustyps war der Baðstofa, ein sowohl zum Arbeiten als auch zum Schlafen genutztes Haus, das sich etwas abseits vom Eingang befand und höher als der Rest des gesamten Komplexes lag. Dadurch konnte die Heizeffizienz erhöht werden.

Giebelfarm

Mit dem beginnenden 19. Jahrhundert, also etwa ab 1800, setzte sich eine neue Bauform durch, die sogenannte Giebelfarm (Burstabær). Die Fassaden der Torfhäuser wurden nebeneinander zum Hof hin ausgerichtet und die rückwärtigen Nebengebäude in die Front der Hauptgebäude integriert. Anstatt jedoch ein großes Haus mit einem Längsdach zu sein, bestand die Giebelfarm aus einer Reihe von nebeneinander liegenden kleineren Häusern, jedes mit seinem eigenen Dach.

Diese Bauweise setzte sich besonders im Süden Islands druch. Im Norden Islands wurde diese neue Fassade aber eher als Vorderseite zum alten Durchgangsbauernhaus auf der Rückseite verwendet.

neue Bauformen

Im 20. Jahrhundert setzten sich dann modernere Bauformen durch. Die Wände und später auch die Dächer der Häuser wurden mit Wellblech verkleidet, die Häuser aber immer noch im Grundgerüst aus Holz errichtet. Die Verkleidung bot einen besseren Schutz gegen die Witterung. Noch später setzten sich auch in Island Betonbauten durch.

Beispiele

Grenjaðarstaður

Der Hof Grenjaðarstaður ist ein ehemaliges Pfarrhaus im dicht besiedelten Ackerland des Tals von Aðaldalur im Norden Islands. Der Hof liegt etwa 30 km von der Stadt Húsavík entfernt. Das Gehöft ist noch bewohnt und wurde im 20. Jahrhundert modernisiert und erweitert.

Die alten Gebäude sind Bestandteil der Sammlung historischer Gebäude des Nationalmuseums und beherbergen einen Teil des Volksmuseums Suður-Þingeyinga.

Der Hof Grenjaðarstaður besteht aus zehn Häusern und ist etwa 29 Meter lang und 24 Meter breit. Fünf Giebel sind dem Hof  zugewandt und bilden eine Giebelfarm. Über einen Durchgang sind die Räume zu erreichen. Östlich des Gehöfts steht die Grenjaðarstaður-Kirche auf einem Friedhof.

Die Wände sind aus mit Erde verfülltem Lavagestein errichtet und mit Strengur (Streifensoden) bedeckt. Alle Dächer sind mit Grassoden bedeckt. Die Giebeltypen variieren, bis auf drei sind alle aus Holz.

Grenjaðarstaður ist ein Beispiel für eine große Giebelfarm im nördlichen Stil, bei der die Lavasteine ​​als Schlüsselelement der Bautechnik verwendet wurden.

Árbær

Der Hof Árbær liegt im Tal Elliðaárdalur im Reykjavíker Vorort Árbær. Hier war einst ein landwirtschaftliches Gebiet war. Der Hof ist heute Teil des Stadtmuseums von Reykjavík. Auf dem Gelände um den Hof wurde das Freilichtmuseum Árbæjarsafn errichtet, mehrere ältere Gebäude aus dem gesamten Land wurden in die Nähe des alten Hofes verlegt.

Der Hof Árbær besteht aus sechs Häusern und misst etwa 20 Meter x 8 Meter. Vier der Häuser sind zum Hof ausgerichtet. Der Eingang führt zur Herdküche und zum Stall. Auf der anderen Seite des Hofes befindet sich eine Schmiede. Hinter dem Hof befinden sich Ställe, die Ruinen einer Scheune sind noch sichtbar.

Die Wände sind aus Steinen errichtet und mit Strengur (Streifensoden) bedeckt. Die Giebel sind aus Holz, drei davon sind mit Wellblech verkleidet. Diese Häuser haben auch Wellblechdächer, während die anderen drei Gebäude Torfdächer haben.

Árbær ist ein Beispiel für eine Rasenfarm, die in traditioneller Form gebaut wurde, aber in der neue Materialien integriert wurden, um den Schutz der Häuser gegen die Witterung zu verbessern.

Víðimýrarkirkja

Víðimýrarkirkja ist eine Kirche auf dem Bauernhof Víðimýri im Gebiet des Fjords Skagafjörður in Nordisland. Der Hof Víðimýri ist noch bewohnt und wurde im 20. Jahrhundert modernisiert und erweitert. Víðimýri ist ein historisch bedeutsamer Ort und kommt in der mittelalterlichen Literatur vor. Die Kirche gehört zur Sammlung historischer Bauten und dient weiterhin als Pfarrkirche.

Die Kirche wurde 1834 gebaut, es gibt aber alte Aufzeichnungen aus dem Jahr 1318, es ist möglich, dass sich an dieser Stelle schon kurz nach der Christianisierung eine Kirche befand.

Die Víðimýrarkirkja ist 10,8 Meter lang und 8,6 Meter breit. Die Kirche gliedert sich in Kirchenschiff und Chor mit traditionellen geschlossenen Kirchenbänken, die führenden Familien vorbehalten sind und einen hohen Chorschirm, der die Trennung der beiden markiert.

Die Wände sind innen und außen aus Klömbruhnaus (keilförmigen Rasenstücken, auf deutsch Klampsoden) gefertigt und mit Erd- und Torfabfällen verfüllt. Beide Giebel sind aus Holz.

Beim Bau der Kirche wurde, wie damals üblich, Treibholz verwendet. Die Kirche ist von einem Kirchhof umgeben. Ein Glockentor aus dem frühen 20. Jahrhundert vor der Kirche steht innerhalb eines quadratischen Holzzauns, der die Kirche umschließt.

Víðimýrarkirkja ist ein Beispiel einer traditionellen Torfkirche, bei deren Bau der Schwerpunkt auf der Verwendung von Torf liegt.